Verena Konrad

Kunsthistorikerin, Direktorin am Vorarlberger Architektur Institut

Die gebürtige Oberösterreicherin hat vor vier Jahren die Leitung des vai Vorarlberger Architektur Instituts übernommen und ist dafür mit ihren beiden Kindern nach Vorarlberg gezogen. Verena Konrad war zuvor unter anderem als Kuratorin der Kunsthalle Wien tätig und lehrte an der Universität Innsbruck am Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte. 2018 kuratiert die Kunsthistorikerin den Österreich-Pavillon der Architekturbiennale in Venedig.

Obwohl wir unsere Interviewanfrage recht knapp vor den großen Feierlichkeiten zum 20-Jahr-Jubiläum des Vorarlberger Architektur Instituts stellten, kam die Zusage von Verena Konrad prompt, in der Zusammenarbeit erlebten wir die Direktorin bewundernswert professionell und gleichzeitig angenehm freundlich. Man spürt die Erfahrung und die Freude im Umgang mit interessierten Menschen.

Titelfoto innen: Darko Todorovic
Titelfoto außen: Katja Berger

Bereits als Jugendliche engagiert…

Aufgewachsen ist Verena Konrad in einer kleinen Pendlergemeinde in Oberösterreich. Ab ihrem 14. Lebensjahr ist sie dann in Linz zur Schule gegangen und hat dort eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und Sozialpädagogin absolviert. Ihre Schulzeit hat sie durchwegs positiv in Erinnerung, „vor allem hatte ich das Glück, mit souveränen Persönlichkeiten als LehrerInnen aufzuwachsen“. Bereits als Jugendliche war Verena Konrad ein sehr aktiver Mensch, „ich habe mich in feministischen Arbeitskreisen und Solidaritätsgruppen engagiert“, erzählt sie. „Vieles davon prägt mich heute noch.
Mein direktes Umfeld war gleichberechtigt und meine Eltern haben mich mit einem guten Selbstbewusstsein erzogen“, erzählt sie auf unsere Frage, ob sie als Jugendliche Österreich als emanzipiertes Land erlebt hat, in dem Mädchen und Buben unter den gleichen Voraussetzungen aufwachsen können. „In meinem erweiterten Umfeld und durch diverse Alltagserfahrungen habe ich aber auch Ungleichbehandlung erlebt und beobachtet. Diese Erfahrungen machen Männer wie Frauen – und Menschen jeden Alters. Es ist wichtig, diese Erfahrung zu reflektieren und daran zu wachsen, um das eigene Verhalten zu lenken und sich eigener Ansprüche für sich und die Gesellschaft bewusst zu werden“.

…und kunstinteressiert

Dass Kunstgeschichte und Architektur einmal ein wichtiger Teil in Verena Konrads Lebens werden sollten, beschreibt sie als eine „natürliche Entwicklung in meiner Biografie: Meine Eltern und mein Umfeld haben meine Interessen immer gefördert“. Verena Konrad durfte viel ausprobieren und Museen, Ausstellungshäuser, Galerien, Ateliers befreundeter KünstlerInnen und die Vermittlungsangebote für Kinder an der Kunstuniversität Linz wurden ihr schon sehr früh zugänglich gemacht, „auch dann, wenn ich die einzige in der Familie war, die dem so intensiv nachgegangen ist. Eigentlich dachte ich lange an ein Germanistikstudium. Literatur und Sprache sind für mich sehr wichtig. Ich habe als Jugendliche sehr viel gelesen“.

Exotische Fächerkombination an der Uni Innsbruck

Schlussendlich hat Verena Konrad dann aber Kunstgeschichte, Geschichte und Theologie studiert. „Ich war in meinem Jahrgang die einzige Studentin mit dieser Kombination in Innsbruck und in gewisser Weise auch Exotin. Das Theologiestudium kommt aus meiner Sozialisation in der Katholischen Jugend. Ich habe damit aber immer auch ein kulturwissenschaftliches Interesse verbunden. Über die Kenntnis christlicher Traditionen und ihrer Ausdrucksformen lässt sich Vieles in der Geschichte Europas einfach besser verstehen.“ Mit ihrem Wissen hat sie als Kuratorin in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck und in der Kunsthalle Wien Ausstellungen bedeutender Künstler organisiert und begleitet. Auch mit ihrem eigenen Projektbüro hat Verena Konrad vorwiegend im Ausstellungsbereich und im Bereich zeitgenössischer Kunst gearbeitet.

Großer privater Einschnitt

Das vai Vorarlberger Architektur Institut in Dornbirn, dem sie seit Anfang 2013 vorsteht, ist für Verena Konrad „ein Ort, an dem ich meine Interessen mit meinen beruflichen Aufgaben optimal verbinden kann. Ich empfinde das als Privileg. Ich schätze die Möglichkeit, hier neben inhaltlicher Arbeit auch eine Organisation entwickeln zu können. Das bringt auch für mich persönlich viele gute Lernerfahrungen. Die Stelle war damals ausgeschrieben, ich war in einer Phase der beruflichen Neuorientierung und ich bin froh, dass es geklappt hat“. Privat beschreibt sie den Umzug nach Vorarlberg als großen Schritt: „Ich habe zwei Kinder und bin Alleinerzieherin. Für meine Kinder war der Wechsel ein großer Einschnitt in ihrem jungen Leben. Es war eine gute Entscheidung. Durch mein berufliches Engagement konnte ich aktiv ein Umfeld schaffen, in dem ich Beruf und Familie gut vereinbaren kann. Leicht ist es mir gefallen, weil ich mich auf die Aufgabe im vai sehr gefreut habe und weil ich hier auch privat gute Kontakte habe. Wir fühlen uns sehr wohl in Vorarlberg.“

Freundschaften trotz räumlicher Distanz

In ihrem Berufsumfeld gehören Ortswechsel dazu. Außerdem sei sie schon immer viel unterwegs gewesen, erzählt Verena Konrad, sie habe dadurch gelernt, Freundschaften auch über die räumliche Distanz zu erhalten. „Allerdings“, räumt sie ein, „ist es manchmal schon schade, weil ein Telefongespräch den direkten Kontakt mit Menschen, die einem wichtig sind, nicht ersetzen kann. Ich nehme mir aber immer wieder auch Zeit, diese Kontakte zu pflegen“. Verena Konrad beschreibt sich zwar als ehrgeizigen Menschen, aber sie könne auch „gut mal etwas sein lassen und genießen“. Ihre Herkunftsfamilie kommt zudem gerne auf Besuch nach Vorarlberg. Ihr berufliches Umfeld konnte den Wechsel zunächst etwas schwerer nachvollziehen. „Seit das vai auch für meine ehemaligen KollegInnen ein Begriff ist, hat sich das aber geändert.“

Blick über den Tellerrand

Verena Konrad hat vor ihrem Umzug nach Vorarlberg 15 Jahre lang in Innsbruck gelebt, also zwar nicht gerade in einer „Großstadt“, ihr Lebensstil sei dennoch urban geprägt. Und vieles davon kann sie auch in Vorarlberg finden, „beziehungsweise diesen Lebensstil auch hier pflegen. Ich bewege mich beruflich in einem internationalen Umfeld, auch privat teilweise. Mein Kommunikations- und Mobilitätsverhalten entspricht dem Verhalten von Menschen in einer großen Stadt. Wichtig ist sicher dieser Blick über den Tellerrand – wobei mein Tellerrand als jemand, der hier ankommt, ohnehin ein anderer ist“.

Eine Direktorin mit Kindern

Ihre beiden Kinder nimmt sie gelegentlich auch mit ins Büro, sie sind immer wieder auch mit ihr unterwegs und dürfen auch abends ab und zu bei Eröffnungen oder Veranstaltungen dabei sein. „Ich halte das so, weil sie auch die Vorbereitungen für diese Ereignisse oft über Wochen und Monate erleben und ich es nur als fair empfinde, wenn sie dann auch diese schönen Erlebnisse mit mir teilen können“, erklärt die Ende-Dreißigjährige, „meine Tochter ist bereits alt genug, um meine Arbeit in groben Zügen zu verstehen. Für meinen Sohn ist Vieles noch sehr abstrakt. Für ihn deckt sich das Phänomen Architektur noch mit den Formen und Medien ihrer Darstellung“.

Frau in Führungsposition

Verena Konrad fühlt sich wohl als viel zitierte „Frau in Führungsposition“. „Mir geht es sehr gut damit. Letztlich habe ich hier aber auch keine Empfindlichkeiten. Ich bin eine Frau und habe einen Beruf, dem ich gern nachgehe. Es mag sein, dass es ab und zu Situationen gibt, in denen ich mit Klischees und Stereotypen konfrontiert werde. Letztlich werden diese aber nur durch positive Erfahrungen abgebaut. Wir lernen alle dazu.“ Ihr Privat- und Berufsleben lassen sich „mal besser, mal schlechter“ vereinen. Das hänge von vielen Faktoren ab, erzählt sie, „wie es uns als Personen und in der Familie geht, ob sich unsere Einzelinteressen gerade unter einen Hut bringen lassen, vom Pensum, das wir durch Schule und Arbeit gerade bewältigen müssen und allem, was der Alltag sonst noch bringt an Schönem und weniger Schönem“. Meistens sei sie ganz zufrieden.

Unregelmäßiger und komplexer Arbeitsalltag

Das operative Team des Vorarlberger Architektur Instituts, dem Verena Konrad als Direktorin angehört, führt die Geschäftsstelle des Vereins mit Sitz in Dornbirn. Seine Aufgabe ist die Betreuung der Mitglieder und Partner des Vereins, die Konzeption, Organisation und Durchführung aller Veranstaltungen des vai, die Öffentlichkeitsarbeit für den Verein, die Entwicklung neuer thematischer Felder sowie die Entwicklung der Organisation nach innen und außen in Abstimmung mit dem Vereinsvorstand und die Verwaltung und Gestaltung der Räume des Vereins und ihrer Ausstattung.

In der Arbeit des Teams treffen mehrere wissenschaftliche Fachbereiche zusammen. Am vai wird also mit Vertretern aus den Bereichen Architektur- und Baukultur genauso zusammengearbeitet wie mit Persönlichkeiten aus Kultur, Kunst, Bildung, Wirtschaft und Handwerk. Verena Konrad hat als Geschäftsführung und Direktion die inhaltliche Verantwortung für dieses Arbeiten. „Mein Arbeitsalltag ist sehr vielseitig, terminintensiv und auch mit Reisen verbunden. Ich habe daher keine geregelten Arbeitszeiten.“

Architekturvermittlung als Übersetzungsarbeit

Verena Konrad beschreibt Architekturvermittlung als eine Art „Übersetzungsarbeit im Sinne einer Bildungsaufgabe. Wir erarbeiten Methoden und Formate, um Inhalte zugänglich zu machen und dadurch Diskurse wachsen zu lassen“. Vermittlungsformate sind beispielsweise Workshops für Kinder und Jugendliche, Filme und Ausstellungen. Mit der Reihe „Architektur vor Ort“ etwa möchte das vai Erfahrung und Information direkt von Fachleuten möglich machen. Die Veranstaltungen bieten dabei unterschiedliche Zugänge für verschiedene Zielgruppen – von Laien bis Profis.

Verena Konrad bei einer Führung, Foto: DarkoTodorovic

Anerkennung von innen und außen

Die Vorarlberger Architekturszene selbst erlebt Verena Konrad als sehr aktiv. „Es gibt eine große Vielfalt an Zugängen und Haltungen. Respekt vor jenen, die schon viel geleistet haben, ist da. Aber nicht mit Demut verbunden, sondern mit Anerkennung. Ein sehr gesunder Zugang“, findet Verena Konrad. Und Anerkennung kommt auch von außen: von Fachkreisen, aber auch durch den Architekturtourismus. Dieser boomt nach wie vor. „Wir haben Gäste aus der ganzen Welt, Fachleute aber auch Privatpersonen mit touristischem Interesse, die sich auch für Architektur interessieren. Ein großes Thema sind nach wie vor der Holzbau, Systembau- und Modulbauweisen. Neben den Themen Ökologie und Nachhaltigkeit ist die Stellung von Architektur als strategisches Element in der Gemeinde- und Regionalentwicklung wichtig. Das Schlagwort „öffentlicher Bau“ als Motor und Vorbild für privates Bauen ist gut gesetzt und wird vor allem von Baukulturverantwortlichen auf kommunaler Ebene gesehen.

Für den privaten Architekturtourismus ist es die Verbindung von Baukultur und Landschaft in Verbindung mit sportlichen und kulturellen Angeboten, die nach wie vor sehr beliebt ist. Unsere Exkursionsprogramme forcieren ein kritisches Hinsehen und einen internationalen Vergleich. Einen Entwicklungsschub braucht es permanent, weil die Branche als solche auf gesellschaftliche Anforderungen reagiert: dauerhaft brisant sind beispielsweise Architekturqualität im Wohnbau, die Verknüpfung von Architektur mit Stadtplanung und Raumplanung, die Qualität öffentlicher Räume. Das ist nichts, was einmal gesetzt werden könnte. Diese Themen brauchen dauerhafte Aufmerksamkeit und stehen im Kreuzfeuer unterschiedlichster Ansprüche.“

Mieter in einer Wohnanlage

Verena Konrad selbst wohnt mit ihren beiden Kindern zur Miete in einer Wohnanlage. „Vieles von dem, was unsere derzeitige Bleibe ausmacht, war schon da“, erzählt sie, „das hat uns sehr geholfen, denn wir sind mit wenig gekommen und gehen auch mit wenig wieder. Ich mag gern Improvisiertes. Viele Bücher. Helle Wände. Viele Pflanzen. Und Platz, um schöne Dinge aufzustellen und auch einmal etwas herumliegen lassen zu können“. Einen benennbaren Stil verfolge sie nicht: „Dafür kenne ich zu viel, mag ich zu viel und sehe auch gar keinen Grund, mich für etwas entscheiden zu müssen.“

Österreich-Pavillon der Biennale in Venedig

Kommendes Jahr wird Verena Konrad den Österreich-Pavillon der Architekturbiennale in Venedig kuratieren. Eine Aufgabe, auf die sie sich sehr freut, „das vai wird meine Hauptaufgabe bleiben. Von einem Höhepunkt der Karriere zu sprechen, käme mir vermessen vor“, räumt Verena Konrad ein und bleibt bescheiden: „Noch liegt diese Aufgabe vor mir und damit ein Berg an Arbeit und Erwartungen aus verschiedensten Richtungen. Die Bestellung als Biennale-Kommissärin ist eine Anerkennung für das vai, für das Architekturumfeld in Vorarlberg und auch für mich persönlich und ich freue mich, dass ich diese Aufgabe übernehmen darf.“

Neben den abschließenden Planungen für das vai-Jahr 2018, stehen heuer zudem noch einige Projekte zur Umsetzung an: Dazu zählen etwa eine Kampagne für mehr Architekturqualität im Wohnbau, eine Ausstellung über Landschaftsarchitektur in der Region und ein Film über die Pionierleistungen der Baukünstlerbewegung. „Der Alltag im vai ist sehr intensiv“, sagt Verena Konrad abschließend, „wir haben aber noch ein bisschen Spielraum für Unerwartetes gelassen…“.

Verfasst im Mai 2017