
Die Visionärin
Anders als die Theatermacherin, die durchaus ihre Finger in die Wunden der Gesellschaft legen mag, ist die Visionärin Brigitta daran interessiert, das, was sie als sinnvoll und gut erkennt, zu stärken. Durch ein berufsbegleitendes Studium (Psychotherapeutisches Propädeutikum), und durch die Ausbildungen in Systemischer Aufstellungsarbeit (Familienstellen) und Soziokratie (Effektives Arbeiten in partizipativen Organisationsstrukturen) hat sie sich einen zweiten Weg gebahnt, der immer wieder in Visionsbewegungen mündete.
Wie kam es zu diesem Weg?
„Ich bin ja doch Künstlerin, bin es gewohnt, mir Gedanken zu erlauben, mir Dinge vorzustellen, die noch nicht real sind, von denen ich aber das Gefühl habe: Das ist wichtig! Das braucht es! Ich gebe dann auch nicht gleich auf, bleibe dran, weil ich das ja alles weiß und kann: ein Konzept schreiben, auch wenn noch alles ein bisschen in Schwebe ist, die Finanzierung aufstellen – und es zu Ende bringen. Ich habe selten in meinem Leben Projekte nicht zu Ende gebracht, auch wenn das zum Teil über meine persönlichen und gesundheitlichen Grenzen ging… Es ist ein Umbruch, da bin ich hineingewachsen. Weg vom Theater hin zu gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Es ist, als ob alles zusammenkäme… Mich hat interessiert, wie Menschen funktionieren und wie ich selber funktioniere, darum die Ausbildung bei Eva Gold. Mich hat interessiert, wie gehen wir gemeinsam gut weiter, was für ein Management brauchen wir, deshalb die Soziokratie. In die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse kann ich das alles einbringen: Die Kunst. Die Therapie. Die Spiritualität. Das ist nicht mehr Theater. Das ist eine andere Kunst. Theater ist doch auch sehr flüchtig. Ich möchte etwas aufbauen, was der Gesellschaft bleibt.“
Es waren die existentiellen Lebensfragen, die Brigitta durch ihre Inszenierungen stellte: Leben und Tod. Einmal Himmel und zurück. Dem Tod ist sie andererseits auch in ihrem Engagement für den Verein „Abschied in Würde“ begegnet. Jetzt möchte die Künstlerin Hebamme sein. Sie hat mit sieben anderen Frauen (Geburtshelferinnen, Ärztinnen, Therapeutinnen, einer Architektin) die Interessengemeinschaft Geburtskultur a -z gegründet. Geburtskultur von achtsam bis zeitgemäß. Es geht um Bewusstseinsarbeit, darum, die Geburt ins Zentrum der Gesellschaft zu holen, ihre Bedeutung für ein gelingendes Leben sichtbar zu machen. Es geht aber auch um eine größere Vision.
Wie kam es dazu?
„Ich habe nach einem Aufbauprojekt gesucht, bei dem ich alle meine Talente und Fähigkeiten einsetzen kann. Ursprünglich dachte ich, das könnte die Hospizbewegung sein. Dann kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. Ich traf Kathi, die mir von ihrem heimlichen Traum erzählte… Sie zeigte mir den Entwurf für ein modernes Geburtshaus für Vorarlberg.“
Ich fünffache Mutter staune, wie meine Freundin, die keine Kinder hat, beim Wort „Geburtshaus“ auf besondere Weise erwacht. Die Ernsthaftigkeit der Arbeit, an der sie gesessen war, als ich kam, ist aus ihren Zügen gewichen. Ihr Gesicht leuchtet.
„Als ich diesen Glas-Lehmbau sah – Geburtszimmer wie sanfte Kokons, sonnige Familienzimmer für´s Wochenbett, die räumliche Nähe zum Krankenhaus… da fiel bei mir der Groschen. Das ist der Mehrgewinn, dachte ich, das ist das, was dem Land fehlt. Und als Künstlerin war ich schon immer Hebamme! Ich habe unzählige Projekte auf die Welt gebracht! Wir fanden sofort andere interessierte Frauen, schlossen uns zusammen und nahmen Kontakt auf, mit Politikern, mit Organisationen, mit Hebammen, mit den Leitern der Geburtenstationen… Ich habe alles gleich in die Umsetzung gebracht… Es geht nur im Miteinander, sich gegenseitig ergänzen, stärken… Ich weiß, es ist noch ein langer Weg vor uns, vielleicht die Besteigung eines 8000ers, aber ich bin da am richtigen Platz. Weil es wichtig ist. Weil es Sinn macht. Mein Handeln muss immer mit Sinn zu tun haben.“
Auch für diese bislang ehrenamtliche Initiative bin ich Brigitta dankbar. Ich habe aufgehört Kinder zu bekommen, als das Entbindungsheim schloss. Ich würde mir wirklich wünschen, dass meinen Töchtern ein solches Geburtshaus zur Verfügung stünde. Dass ihre Kinder auf so feine Weise auf die Welt kommen, wie es mir möglich war, zu entbinden. In meinem Tempo. Mit meiner Musik. Nach meiner Art. Die Nabelschnur durfte langsam auspulsieren.