Karoline Mühlburger und Silvia Keckeis

Grafikdesignerinnen und Geschäftsgründerinnen

Die beiden Grafikerinnen haben – allen Widrigkeiten durch die Wirtschaftskrise zum Trotz – 2008 gemeinsam ihr Büro für Gestaltung, „Kaleido“ in Sulz gegründet. Mittlerweile haben sich Karoline Mühlburger und Silvia Keckeis vor allem über Mundpropaganda einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet, der vergangenes Jahr mit dem internationalen Joseph Binder Award gekrönt worden ist. Kreatives Schaffen ist ein wichtiger Teil ihres Lebens und sie haben es geschafft, sich diese Leidenschaft auch im Berufsalltag zu bewahren.

Wir treffen die Grafikerinnen in ihrem großen, hellen Büro in Sulz. Durch die großzügige Fensterfront haben wir einen direkten Blick auf die Frutz. Wir wissen, dass die beiden bis über beide Ohren in Arbeit stecken, dennoch wirken Karoline und Silvia bei unserem Gespräch entspannt und interessiert. Sie sind ein eingespieltes Team, auch im Erzählen.

Titelfoto: „Kaleido“/Sabina Loacker

Starkes und geschätztes Fundament

Die beiden Vorarlbergerinnen sind zwar nur rund anderthalb Kilometer voneinander entfernt aufgewachsen – Karoline Mühlburger in Röthis, Silvia Keckeis in Muntlix – kennengelernt haben sie sich aber erst während ihres Studiums in Ravensburg im benachbarten Deutschland. Beide Frauen haben von ihrer Herkunftsfamilie ein – wie sie betonen – „starkes Fundament, eine gute Basis“ mit auf ihren Lebensweg bekommen. „Ich habe gelernt, dass es immer einen Weg gibt und dass man auch einmal etwas passieren lassen kann“, sagt Karoline Mühlburger und Silvia Keckeis fügt hinzu: „Wir haben beide ein gewisses Vertrauen ins Leben und in das, was da kommt.“ Obwohl beide viel unterwegs waren, auch im Ausland, sind sie eng mit ihrer Vorarlberger Heimat verwurzelt. „Ich war zwar oft auf Reisen, bin aber immer wieder gern zurück nach Hause gekommen“, sagt Silvia, und Karoline erzählt von ihren Au Pair-Zeiten in New York.

Gute Plattform für die kreative Szene

„Es ist mir in ganz jungen Jahren noch gar nicht so wirklich aufgefallen, wie offen und weit entwickelt Vorarlbergs kreative Szene ist“, erzählt Karoline Mühlburger. „Aber gerade im Vergleich mit Deutschland kann ich sagen, dass Vorarlberg eine sehr gute Plattform dafür bietet. Denn wir hatten die Möglichkeit das, was es nicht gegeben hat, eben selbst zu erschaffen.“ Als Beispiel nennt sie die Organisation und Gestaltung des „Blume“-Kurzfilmfestivals vor fast zehn Jahren. Gemeinsam mit einer hoch motivierten Truppe, bei der auch Karolines Bruder Martin Mühlburger federführend beteiligt war, haben sie das wohl kleinste und einzige Gartenkurzfilmfestival des Landes auf die Beine gestellt – für Filmemacher und Festivalfreunde in Vorarlberg noch heute legendär.

Wollte eigentlich Bäuerin werden

Im Gegensatz zu Silvia Keckeis, die schon als Volksschulkind im traditionellen Freundschaftsbüchlein als Berufswunsch „Grafikerin“ angegeben hatte („ohne wirklich zu wissen, was das eigentlich genau ist“, lacht sie), war für Karoline Mühlburger dieses Berufsfeld lange kein Thema. „Ich wollte eigentlich immer Tierärztin oder Bäuerin werden“, erzählt die Mitte-Dreißigjährige, „danach Kindergartenpädagogin. Aber ich habe die Aufnahmeprüfung nicht bestanden. Und erst als ich dann meine Abschlussarbeit an der Fachschule für wirtschaftliche Berufe geschrieben habe, habe ich gemerkt, dass es mir leicht fällt, zu gestalten. Noch dazu hat es mir sehr viel Spaß macht. Das hat etwas in mir geweckt!“ Karoline ist dann im Alter von 18 Jahren nach Salzburg gezogen, hat dort ihre Matura mit Schwerpunkt Multimediaart gemacht und ist dann nach Ravensburg gegangen, um weiter zu studieren. Dort hat sie schließlich Silvia Keckeis kennengelernt.

Bündeln von Fähigkeiten

Die beiden haben schon zu Studienzeiten gemerkt, dass es da eine gute Verbindung zwischen ihnen gibt. Sie haben zunächst verschiedene Projekte gemeinsam umgesetzt und sind dann bald auch gemeinsam zwischen Vorarlberg und Ravensburg hin- und hergependelt. „Wir haben gemerkt, dass wir unser Potenzial gut bündeln können und gemeinsam etwas schaffen können, das wir jeweils alleine so nicht zustande gebracht hätten“, erzählt Karoline. „In unserer Zusammenarbeit haben wir uns gut ergänzt, während meine kreativen Gedanken eher unordentlich in meinem Kopf herum purzeln, ist Silvia klarer und strukturierter. So ergänzen wir uns gut.“ Und dass jede auf ihre jeweils aufmerksame und feinfühlige Art ein gutes Gespür für Formen und Farben mitbringt, spiegelt sich heute in ihren teils preisgekrönten Arbeiten wider.

Getrennte Wege, die später wieder zusammenführten

„Aber bevor es so weit war, dass wir uns tatsächlich zusammen getan haben, hat es noch eine Zeit lang gedauert“, erzählt Silvia, „da hat es schon noch ein paar Unterbrüche gegeben: Wir hatten nämlich irgendwann die Pendlerei satt und sind dann gemeinsam in einer 3-er WG nach Ravensburg gezogen. Das hat aber überhaupt nicht funktioniert“. Danach ist jede wieder ihre eigenen Wege gegangen, rund zwei Jahre lang haben die beiden nicht mehr viel voneinander gehört.

Silvia hat zu dieser Zeit – während ihres Studiums im Dornbirner Design- und Kommunikationsbüro Sägenvier gearbeitet. Über den Geschäftsführer, der auch einer ihrer Dozenten war, haben sie dann bei einem Wettbewerb für das vai Vorarlberger Architektur Institut mitgemacht. Und dabei führte wieder der Zufall Regie: „Kurz vor der Abgabe der Arbeiten haben wir nämlich gemerkt, dass wir an sehr ähnlichen Projektentwürfen gearbeitet hatten. Und da mussten wir uns entscheiden: Tun wir uns zusammen oder schaffen wir es als Konkurrenten beide nicht“, erzählt Silvia Keckeis. Die beiden sind schließlich über ihren Schatten gesprungen, haben sich zusammengetan und: den Wettbewerb dann auch prompt gewonnen. „Ab diesem Zeitpunkt konnten wir uns endlich eingestehen, wie sehr sie einander vermisst haben in den zwei Jahren.“ Karoline Mühlbürger verweist auf die Gänsehaut auf ihrem Arm, die sie noch heute beim Erzählen dieser Geschichte bekommt. Gemeinsam haben sie dann auch noch ihre Diplomarbeit geschrieben und ihr Studium abgeschlossen. Von beruflicher Partnerschaft war damals allerdings noch weit und breit nichts zu erkennen.

Kaleido - Büro für Gestaltung

Zufall spielt erneut Schicksal

Karoline Mühlburger hatte zunächst überhaupt ganz andere Pläne, wollte nach ihrem Studienabschluss ihr Glück in New York versuchen. „Aber New York wollte mich nicht, ich habe drei Monate lang etwas Passendes für mich gesucht, aber nichts gefunden“, erzählt sie. Und wie es der Zufall wollte, hat genau in dieser Zeit Silvia Keckeis aus Vorarlberg angerufen und sie gebeten, im Grafikbüro in Dornbirn auszuhelfen, weil ein Mitarbeiter ausgefallen war. Aus dem Einspringen wurde ein Jahr und wieder haben die beiden Grafikerinnen zusammen gearbeitet. „Und wieder haben wir gemerkt, wie gut das funktioniert und wie gut wir uns ergänzen. Wenn ich nicht weiterkomme, gebe ich die Arbeit an Silvia weiter. Umgekehrt läuft es genauso.“ Und schlussendlich fiel er dann, der Entschluss, sich gemeinsam selbständig zu machen.

Gründung von Kaleido

„Zu Beginn hat uns jeder den Vogel gezeigt“, erzählt Karoline Mühlburger. 2008 rollte ja die Finanzkrise auch über Vorarlberg hinweg, noch dazu ist die Dichte an Grafikern in Vorarlberg unvergleichlich hoch. Davon haben sich die zwei Geschäftspartnerinnen allerdings überhaupt nicht beeindrucken lassen, haben – ganz ihrem Stil entsprechend – auf das vertraut, dass alles gut gehen würde. „Was konnte uns schon passieren? Wir waren jung und hatten nichts zu verlieren, wir hatten überhaupt keine Angst davor. Wir haben das spontan bei einem Gespräch auf einem Parkplatz entschieden. Da waren wir einmal überhaupt nicht typisch Vorarlbergerisch“, lachen Silvia und Karoline.

Damit haben sie vor acht Jahren den Grundstein für Kaleido , ihrem eigenen Büro für Gestaltung gelegt. Im Firmennamen, für den die beiden sich übrigens fast mehr Zeit gelassen haben, als für den spontanen Entschluss zur Selbständigkeit, spiegelt sich die Arbeitsweise des kreativen Duos wider – enthalten ist darin nämlich sowohl das Verspielte, die Schönheit des Gestaltens und die immer wieder neuen Blickrichtungen.

Der Mut der jungen Geschäftsgründerinnen sollte dann auch tatsächlich belohnt werden: „Bereits am ersten Tag haben Kunden bei uns angeklopft, als hätten viele nur darauf gewartet“, erzählen die Geschäftsführerinnen. „Das war wirklich einfach. Wir sind in unser heutiges Büro in Sulz an der Frödisch gezogen und dachten: Entweder ganz oder gar nicht. Wir haben damals schon – vor über acht Jahren – so etwas wie einen Coworking Space mit anderen Selbständigen aus mehr oder weniger ähnlichen Branchen eingerichtet, wie es ihn heute öfter gibt. So haben wir Miete gespart und uns gegenseitig geholfen.“

Teamarbeit und zurückgeschraubtes Ego

Mittlerweile haben die Damen von Kaleido ein breites Netzwerk aufgebaut, arbeiten mit kreativen Köpfen aus den unterschiedlichsten gestalterischen Berufsfeldern zusammen. „Dadurch können wir viel mehr anbieten“, sagt Silvia und Karoline ergänzt: „Viele dieser Fachleute, mit denen wir zusammen arbeiten, sind Freunde von uns. Es sind Menschen, mit denen wir auch gerne unsere Freizeit verbringen. Wir haben immer schon die Meinung vertreten, dass es nichts bringt, Mauern um eine Idee herum aufzubauen. Das fällt zwar zu Beginn nicht immer leicht, aber für die Umsetzung, für das Resultat ist es einfach besser, zusammen zu arbeiten.“

Und Silvia bekräftigt: „Es spielt auch keine Rolle mehr, von wem die Idee schlussendlich gekommen ist und wer welche Farbe ausgesucht hat. Wichtig ist das gemeinsame Arbeiten daran. Das muss man zuerst lernen, am Anfang hatte natürlich jede von uns damit zu kämpfen.“ Und auch darüber herrscht Einigkeit, denn Karoline fügt hinzu: „Aber wir treten nun mal als Wir auf, als Kaleido, und nur so funktioniert es. Es geht nicht darum, sich in jedem Projekt selbst zu verwirklichen, sondern die Wünsche des Kunden bestmöglich umzusetzen. Da muss man sich eben auch selbst einmal in den Hintergrund stellen. Zudem gibt es immer wieder auch Herzensprojekte, bei denen wir uns auch so richtig ausspinnen können.“ Silvia nickt: „Die Freude über ein fertiges und gelungenes Produkt war noch jedes Mal viel größer als der Triumph, mich irgendwo in einem Teilabschnitt der Arbeit mal durchgesetzt zu haben. Gut zuhören zu können, ist in unserem Beruf besonders wichtig.“ Die beiden haben auch schon die Telefonnummern von Kollegen – manche mögen es als Konkurrenten bezeichnen – weiter gegeben, wenn die Auftragslage bei Kaleido ein weiteres Projekt nicht zuließ. „Es ist genug für alle da!“, sind sich die Grafikerinnen ganz sicher.

Arbeit und Privatleben verschwimmen

Kreativität auf Knopfdruck gibt es natürlich nicht. Karoline und Silvia lachen bei dem Gedanken: „Klar, es gibt Tage, an denen es besser ist, einfach nur Büroarbeit zu erledigen. Und dann gibt’s Tage, an denen die Ideen nur so sprudeln. Beginnen wir mit einem neuen Projekt, dann ist das wie ein Samenkorn, das in unsere Köpfe gepflanzt worden ist und weiter wächst. Das hört natürlich auch nicht nach Feierabend auf.“ Aber die Mitte-Dreißigjährigen haben gelernt, nicht alles mit in den Schlaf zu nehmen. Auf der anderen Seite empfinden beide ihre Arbeit als wichtigen Teil von sich selbst, von ihrem Leben: „Wir empfinden das nicht als lästig oder belastend, wenn wir uns auch in unserer Freizeit über unsere Arbeit unterhalten“, betont Karoline Mühlburger und Silvia Keckeis sieht es ähnlich: „Arbeit und Privatleben verschwimmen, aber auf eine angenehme Art und Weise. Wir wechseln uns auch täglich mit Kochen ab – hinter unserem Büro haben wir dafür eine kleine Küche. Und natürlich wird dann beim gemeinsamen Essen auch Privates besprochen. Dadurch entsteht eine ganz besondere Verbundenheit.“

Grafik-Arbeiten von "Kaleido"

Mundpropaganda statt Werbeauftritte

Nachdem ihr Büro 2011 den AdWin der Wirtschaftskammer Vorarlberg für die Werbegrafik zum „Blume-Festival“ gewonnen hatte, legte Kaleido vergangenes Jahr mit dem internationalen Joseph Binder Award in Gold noch ordentlich nach. Den Preis gewann das Duo für das Plakatsujet für die Veranstaltungsreihe Montforter Zwischentöne im Jahr 2015. Der Award habe weniger für sie, als vielmehr für die Außenwirkung Bedeutung, sagen die Grafikerinnen. Allerdings seien danach mehr Anfragen hereingekommen, das Vertrauen sei größer geworden, weil ein Preis dieser Größenordnung natürlich auch eine Bestätigung für die Qualität einer Arbeit bedeutet.

„Alles in allem sind wir aber überzeugt davon“, sagt Silvia, „dass man einfach authentisch sein und bleiben muss, dass man Spaß an der Arbeit hat“, und Karoline ergänzt: „Wir sind auch nicht diejenigen, die bei allen Veranstaltungen dabei sind, wir sind eher die Stillen in unserer Branche. Wir leben über Mundpropaganda, haben in diesen acht Jahren kein einziges Werbeinserat geschaltet. – Abgesehen davon, dass wir einmal einen freien Platz zum Mieten in unserem Büro angeboten haben…“

Arbeitspensum senken

Die Geschäftsgründerinnen haben sich vor anderthalb Jahren mit Sabina Loacker Verstärkung ins Boot geholt. Dass es eine weitere Frau im Team geworden ist, war ein Zufall: „Wir haben nicht aktiv gesucht, eines Tages kam Sabina mit einer Blindbewerbung ins Büro, und wir waren sofort begeistert, es hat einfach gepasst. Möglicherweise kommen wir heuer unserem Ziel, unser Arbeitspensum auf 80 Prozent herunter zu schrauben, etwas näher. Es hat bislang noch nicht ganz funktioniert“, grinsen die beiden und überlegen laut, mit einer vierten Person Kaleido komplett zu machen…

Verfasst im Mai 2017