Anna Bösch

Kalligrafin

Die Wahlvorarlbergerin hat sich vor kurzem als „Letterfee“ in Gaißau am Bodensee selbständig gemacht und verleiht als solche Worten, Zeichen und Symbolen einen ganz besonderen Zauber. Die gelernte Augenoptikerin hat nämlich in den vergangenen Jahren einen ganz eigenen Blick für Details entwickelt und bringt ihre Sicht der (kleinen) Dinge heute als Kalligrafin kunstvoll zu Papier. Anna Böschs Werke können dabei genauso verspielt und witzig sein wie ernsthaft und klar – eben genauso, wie wir auch die Kalligrafin selbst im Interview erlebt haben:

Wir treffen Anna Bösch in einem Café in Lustenau, dem Heimatort ihres Mannes. Der Liebe wegen ist die gebürtige Deutsche vor gut zehn Jahren nach Vorarlberg gezogen und hat sich seither im „Ländle“ gut eingelebt. „Der Vorteil der Menschen hier ist, dass sie in einem Vierländereck leben und dadurch sehr offen sind. Auch wenn das von vielen gar nicht so gesehen wird. – Ich jedenfalls erlebe das so“, fügt die Kalligrafin unbeirrt hinzu und lacht dabei herzlich.

Bayerisch-ostfriesische Wurzeln

Ihre extrovertierte und gleichzeitig ruhige, fokussierte Art kommt nicht von ungefähr, klärt uns Anna Bösch auf: „Ich bin zwar im Großraum Stuttgart – also im Schwabenländle – aufgewachsen. Aber das auch nur, weil es meine Eltern dorthin verschlagen hat: mein Vater stammt aus einer handfesten bayerischen Familie, und meine Mama kommt von der Nordseeküste, ist also eine Ostfriesin. Und ich bin die Mischungen aus diesen beiden Extremen…“

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Anna Bösch ist bereits in Kindertagen immer wieder einmal nach Vorarlberg gekommen, damals allerdings nur zum Skifahren, für Campingferien am Bodensee und zum Wandern. Später, als sie und ihr Mann sich für eine fixe Bleibe entscheiden wollten, sei die Wahl deshalb ganz leicht gefallen: „Noch heute verbinde ich dieses Land mit Urlaub, obwohl es längst zu meiner neuen Heimat geworden ist. Es ist nach wie vor so, dass ich mich gesegnet fühle, hier zu leben. Und irgendwie“, schmunzelt sie, „sind sich das Schwäbische, Bairische und Vorarlbergerische doch sehr nahe. Nicht nur was den Dialekt betrifft, sondern auch von der Mentalität her. Und ja, liebe Vorarlberger, das empfinde ich wirklich so. Und deshalb fühle ich mich auch so pudelwohl hier.“

Natur und Handwerk begreifen

In Deutschland, wo Anna Bösch also aufgewachsen ist, hat sie insgesamt 13 Jahre lang die „Freie Waldorfschule“ besucht. Im Nachhinein betrachtet, sei es genau das Richtige für sie gewesen: „Ich habe von meinem Typ her ganz besonders gut in diese Schulform gepasst. Ich wusste damals noch nicht, dass die Zugänge zur Kunst und zum Handwerk, die man mir damals ganz offen gewährt hat, einmal so wichtig für mich sein würden. Wir sind als Kinder sehr in diese Richtung gefördert worden. Wir durften Töpfern und uns als Steinmetz ausprobieren, sind ganz spielerisch auch an die Schriftkunst und die Kunst der Illustration herangeführt worden.“

Heute, als zweifache Mama hat die Ende-30-Jährige längst erkannt, „wie wichtig es ist, Kindern immer wieder auch etwas Handwerkliches anzubieten, um sich frei entfalten zu können. Dabei ist es ganz egal, ob es das im Wald ist oder sonst wo in der Natur. Das haptische Begreifen im wahrsten Sinn des Wortes ist nicht nur gut für die Geschicklichkeit, sondern auch für das Auge.“

Perfekt unperfekt

Anna Bösch ist überzeugt davon, dass sie beispielsweise keine Pflanzenkränze malen könnte, wenn sie sie nicht vorher schon einmal „in natura“ gesehen hätte: „Es geht bei der Kalligrafie mehr als nur ums Schönschreiben oder –zeichnen. Es funktioniert einfach nicht, wenn man sich nur hinsetzt, sich irgendwelche Fotos ansieht und dann nachzeichnet. Meine Bilder jedenfalls funktionieren nur dann, wenn ich das, was ich auf Papier bringen möchte, auch tatsächlich begriffen und haptisch erlebt habe. – Und das findet eben nicht zuhause vor dem Bildschirm statt.“

Die Kalligrafin hat entdeckt, dass die Kunst gerade in den kleinen „Unperfektheiten“ liegt, die auch die Natur bietet: „Das kann beispielsweise eine scheinbar unscheinbare braune Stelle auf einer Blume sein. Inspirationen wie diese hole ich mir aus der Natur.“ Auch die Umsetzung ihrer Kalligrafien beschreibt Anna Bösch als einen sehr „haptischen Prozess“ mit allen Sinnen. „Beim Schreiben am Computer fehlt mir immer das Gefühl von Papier, der Klang meiner Stifte, das Kratzen der Feder am Papier. Meine Arbeit ist manchmal richtig meditativ. Hier kann ich meine ruhige, konzentrierte Seite so richtig ausleben.“

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Als Kalligrafin legt Anna Bösch ihr Herzblut nicht nur auf die Schrift an sich, sondern vor allem auf die Illustration dazu. „Manchmal ist die Schrift, das Wort, einfach zu wenig und es braucht eine Zeichnung, die die Bedeutung unterstützt und verfeinert. Manchmal ist die Kalligrafie deshalb ohne eine Illustration gar nicht fertig, es ergibt dann einfach kein Ganzes. Für mich gehören diese zwei Ebenen deshalb zusammen. Vielleicht rührt diese Ansicht noch aus meinem ursprünglichen Beruf“, denkt Anna Bösch laut nach. Die Kalligrafin ist nämlich gelernte Augenoptikerin. „Und da wird eine gewisse Detailverliebtheit schon zelebriert“, erklärt sie. „In diesem Beruf muss man sehr genau arbeiten können, ganz in Ruhe.“
Anna Bösch hat eine – wie sie es nennt – „sehr strenge“, dreijährige Ausbildung zur Augenoptikerin absolviert und anschließend im Produktmanagement in der deutschen Optiker- und Brillenfirma „Zeiss“ gearbeitet. „Ich bin da so reingerutscht. Ganz ohne Studium war ich plötzlich zuständig für die Bestellsoftware. Mein damaliger Chef meinte nur: Genau so einen Typ Mensch brauchen wir hier.“, lacht sie rückblickend. „Es war eine spannende Zeit. Meine Aufgabe war es nämlich, Software in ganz Europa auf die Märkte zu bringen. Ich war viel unterwegs, sehr oft etwa in Italien und Frankreich. Zu dieser Zeit war ich 27 Jahre alt und hatte das Gefühl, an der Spitze meiner Karriere angelangt zu sein.“

Ich hämmere mich aus jeder Schublade wieder raus

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kurz danach übersiedelte Anna Bösch nach Vorarlberg. Für einen neuen Job im Augenoptikgeschäft verspürte sie keine Ambitionen mehr: „Ich habe in Vorarlberg nie als Augenoptikerin gearbeitet. Als ich dann bei „Dorner Elektronik“ in Egg eine Arbeitsstelle gefunden habe, hatte ich so

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kalligrafie von ©Anna Bösch

richtig Glück. Denn ich lasse mich ja nicht gerne in irgendwelchen Schubladen pressen. Wenn ich merke, dass ich doch in so etwas rein geraten bin, dann hämmere ich mich immer ganz schnell wieder raus. Und irgendwie hat das auch meinem neuen Arbeitgeber ganz gut gepasst.“ Denn Anna Bösch hatte bislang nicht viel, sprich: überhaupt nichts mit der Bauindustrie zu tun, „in vieles musste ich mich überhaupt erst mal rein lesen“, lacht sie. „Aber ich hatte eine tolle Zeit in dieser coolen Firma, die ich sehr geliebt habe. Ich bin bis zur Geburt meines ersten Kindes dort geblieben.“

Die Kunst, den eigenen Stil zu finden

Anna Bösch hat keine Ausbildung im Grafikbereich, lediglich einen Kurs bei einer klassischen Kalligrafin absolviert. „Auch hier ist es mir wichtig, dass ich nicht in eine Schublade gesteckt werden kann und mein eigener Typ bleibe.“ Natürlich hat auch Anna Bösch sich durch zahllose Werke auf Instagram und Co. getippt, hat sich informiert, was andere ihres Faches auf Papier bringen: „Es gibt Unmengen. Und die Kunst ist es, seinen ganz eigenen Stil zu finden. Und das scheint funktioniert zu haben“, resümiert sie fröhlich. Während in ihren Anfangszeiten noch Bekannte und Familienmitglieder regelrecht „zwangsbeglückt“ wurden, hat ihre kalligrafische Entwicklung tatsächlich recht schnell Fahrt aufgenommen: „Dass ich mich jetzt mit einer eigenen Firma selbständig mache, finde ich schon richtig mutig von mir!“

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Und sie scheint einen Nerv der Zeit getroffen zu haben. Denn die Kalligrafin beobachtet, dass das „Handlettering“, also das kunstvolle Zeichnen und Ausmalen von Buchstaben, gerade sehr gefragt ist. „Ich merke, dass es da eine Sehnsucht der Menschen gibt, wieder ein bisschen mehr Gespür für die Dinge zu entwickeln. Ein Gespür, das beim Klopfen in die Computertastatur komplett fehlt. So eine Tastatur ist zwar unheimlich praktisch, aber das war’s dann auch.“ Anna Bösch wertet die Rückkehr der Kalligrafie daher als eine Art „Gegenbewegung“: „Das ist wie ein Pendel, das zurückschlägt. Ich vergleiche das gerne mit der Renaissance der Kalligrafie zu Zeiten von Gutenberg und der Erfindung des Buchdrucks. Auch da hat es eine ganz starke Gegenbewegung gegeben. Die gedruckten Buchstaben waren den Leuten damals auch zu statisch, zu streng.“

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Kalligrafie von ©Anna Bösch

Bei der „Letterfee“ des 21.Jahrhunderts aus Gaißau jedenfalls klopfen mittlerweile Firmen und Institutionen an, um Weihnachts- und Grußkarten in Auftrag zu geben, Familien wünschen sich ganz persönliche Taufkarten und Poster. Der Weg der Kalligrafin hat eben erst begonnen. „Letzte Woche habe ich sogar meinen ersten Kalligrafie-Kurs gegeben. Und es war bestimmt nicht der letzte! Ich habe das Gefühl, dass die Richtung stimmt. Wohin mich dieser ganz spezielle Weg führen wird, werde ich jetzt herausfinden. Und ich freue mich schon sehr darauf.“

Verfasst im Dezember 2018

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