Von Frauen für Frauen

„Momentaufnahme“: „femail“-Team, Informationen für Frauen:

Auch ohne „face-to-face“-Kontakt steht das Team der Vorarlberger Informations- und Servicestelle „femail“ (gerade auch!) in diesen schwierigen Zeiten all jenen Frauen zur Seite, die Beratung und Hilfe brauchen. Die Fachfrauen nutzen derzeit eben verstärkt das Telefon und diverse online-Möglichkeiten.
Wie sich ihr Arbeitsalltag dadurch verändert hat und wie es ihnen dabei geht – auch ganz persönlich zuhause – beschreiben sie in einer „Momentaufnahme“:

„femail“-Team; Foto: © „femail“

femail – wie der Name schon sagt – hat schon von Beginn an die Vorteile des Internets zu nutzen gewusst. Inwiefern kommt euch das jetzt in der Krise zugute?

Zugute kommt uns, dass wir eine sehr aktuelle Homepage haben und hier schnell reagieren konnten mit aktuellen Frauen-Perspektiven. Außerdem haben wir eine gute technische Infrastruktur und konnten blitzschnell auf Homeoffice umstellen. Wichtig ist uns auch, dass wir weiterhin zur gewohnten Zeit erreichbar sind und dass wir, gemeinsam mit unserem Netzwerk, ganz schnell online-Angebote konzipieren konnten.

Natürlich basiert die Arbeit von femail auch auf direkten Kontakten. Wie hat sich der Arbeitsalltag in den vergangenen Wochen für die einzelnen Bereiche verändert?

Wir alle merken, dass wir uns übers Telefon anders auf die Kundinnen einstellen müssen. Es fehlt ja Mimik und Gestik, das hat Auswirkungen auf das Gespräch. Besonders herausfordernd sind Gespräche mit einer Dolmetscherin, hier ist viel Feingefühl und Geduld gefragt. Es macht sich bezahlt, dass wir mit kompetenten Dolmetscherinnen schon über lange Zeit zusammen arbeiten. Ein großer Teil unserer Arbeit ist die Vernetzung. Das ist in den ersten beiden Wochen fast zu 100% weg gefallen. Wir nutzen die Zeit auch für die Aufbereitung von Informationen, die Recherche, die Aufarbeitung und Vorbereitung von femail-Themen und Veranstaltungen.

Wie erreicht das Team jetzt die Frauen, die Hilfe brauchen?

Es ist ja meistens so, dass die Frauen femail anrufen. Wir können die normale Erreichbarkeit auch jetzt gewährleisten, das ist wichtig. Außerdem haben wir die direkten Durchwahlen zu den Fachbereichen noch stärker ins Zentrum gerückt. Viele Frauen kennen femail, wichtig ist, die Hemmschwelle zur Hilfe möglichst zu reduzieren. femail hat auch das Angebot von psychologischen Entlastungsgesprächen, das ist vielen nicht so bekannt.
Darum setzten wir gerade jetzt auf Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Stärker als zu „normalen Zeiten“, schalten wir Anzeigen in den lokalen Medien und über Facebook. Und der neue Bereich auf der Homepage soll unser Hilfsangebot interessant machen und Hemmschwellen reduzieren.

Sind Frauen ohne Computer-Zugang derzeit besonders gefährdet?

Es kommt drauf an, in welchem Bereich eine Gefährdung besteht. Wir würden schon sagen, dass zumindest das Smartphone mit stabilem Internetzugang ein wesentliches Instrument gegen Isolation darstellt. Auch gibt es im Internet unendlich viele Anregungen und Ideen die Zeit möglichst gut zu gestalten (für sich selbst, aber auch Ideen für Kinder aller Altersstufen). Auf der anderen Seite stellt der Computer auch Konfliktpotential dar, wenn plötzlich alle Familienmitglieder Zeit damit verbringen müssen/wollen.

Mit welchen Anliegen wenden sich die Frauen derzeit an femail – ist da ein Unterschied zu der Zeit vor Corona zu spüren?

Das ist sehr unterschiedlich. Die Familienrechtlichen Fragen haben sich kaum geändert, aber gerade in der Muttersprachlichen Beratung wenden sich Frauen mit vielfältigen Fragen an die Beraterin z.B. Unsicherheit, was darf ich jetzt noch? Ist das Virus gefährlich für mich? Wo kann ich mich ehrenamtlich engagieren? Kann ich mich jetzt im Einzelhandel bewerben? Wie geht das mit dem Arbeitslosenantrag? Und mit der längeren Dauer steigt auch der Druck bei den Alleinerzieherinnen, ihnen fällt oft die sprichwörtliche „Decke auf den Kopf“

Spielt Gewalt in der Familie derzeit tatsächliche eine so große Rolle, wie von den Medien mehrfach berichtet?

Das ist leider wirklich zu erwarten. Wobei wir vor allem für Frauen Angebote setzen, die der sogenannten psychischen Gewalt ausgesetzt sind. Geringschätzung in der Partnerschaft, tägliche Herabwertung, vielfältigste Wege der Kontrolle, das ist leider häufig der Alltag von Frauen die bei uns Rat suchen. Und in den eigenen vier Wänden, mit völlig reduzierten, auch räumlichen „Ausfluchten“, gibt es gerade für diese Frauen einen sehr hohen Druck.
Darum haben wir uns auch entschlossen ein Online-Workshop: „Selbstschutz in der Partnerschaft“ sehr kurzfristig umzusetzen. Und natürlich: Wir informieren über alle lokalen und österreichweiten Notrufnummern bei Gewalt. Für Fragen zu körperlichen Übergriffen ist die Gewaltschutzstelle die erste Anlaufstelle, daher wird zu solchen Fragen auch in Nicht-Corona-Zeiten das femail nicht häufig kontaktiert.

Wie geht es euch persönlich mit den Umstellungen im Arbeitsalltag?

Lea:
Ich vermisse wirklich den persönlichen Austausch. Zunächst dachte ich, gut, der Kalender ist plötzlich leer, dann ist jetzt Zeit für alles andere, das auch so wichtig ist. Aber ich stelle immer mehr fest, dass die vielen Gespräche, Sitzungen und gemeinsamen Reflexionsmöglichkeiten einfach nicht wegzudenken sind aus meiner Arbeit. Sonst könnte ich ja gleich „Gender-Eremitin“ werden und Texte publizieren.

Christa:
Dadurch dass sich nun alles zu Hause abspielt – Homeoffice, Schule von zu Hause aus – muss eine komplett neue Struktur entwickelt werden, in die die Bedürfnisse und Aufgaben der einzelnen Familienmitglieder eingebettet werden. Das ist nicht immer einfach. Ich freue mich auch wieder sehr auf den persönlichen Kontakt mit den Kolleginnen.

Cigdem:
Die größte Herausforderung und Umstellung hat aber mein Mann mit uns – schlafen bei dem Lärm was ich und Arda verursachen ist gar nicht so einfach – die Frau hat Homeoffice – der Sohn Homeschooling und er Nachtschicht.
Dazu kam auch noch die komplette Neuplanung der Pflege meiner Eltern. Homeoffice bedeutet für mich organisieren, planen und kreative Lösungsstrategien

Ingrid:
Durch das Wegfallen von vorgegebenen Terminen entstehen mehr Freiräume, was mir persönlich einen neuen Zugang zu flexibleren Arbeitszeitmodellen ermöglicht. Bislang hatte ich einen sehr gut durchstrukturieren Alltag. Momentan lerne ich diese flexiblen Räume zu schätzen. Das hohe Maß an Selbstorganisation birgt Vorteile, aber durchaus Fallen. Selbstführung ist hier sehr gefragt. Derzeit bedeutet das insofern noch mehr Herausforderung, als wir Mütter von schulpflichtigen Kindern nun ja einen dritten Job haben: neben Berufstätigkeit und Haushaltstätigkeiten, jenen der „Lehrerin“. Zusammenfassend kann ich sagen, dass es mir gut geht mit dieser Situation, auf Dauer freue ich mich darauf, wenn wie annähernd in die gewohnte Arbeitsnormalität zurück kehren werden – irgendwann.

Christine:
Umstellungen im Arbeitsalltag gibt es in diesem Sinne für mich nicht, da ich weiterhin jeden Tag im Büro arbeite.
Jedoch fehlt mir der Kontakt und Plausch mit meinen Mitarbeiterinnen, die nun alle im Home Office sind.
Alleine zu sein ist ab und zu gut, aber es wird mir immer mehr bewusst, wie wichtig soziale Kontakte im Leben sind, vor allem dann, wenn diese so vehement eingeschränkt werden.

Was nehmt ihr an (neu)gewonnenen Erfahrungen aus der Krise mit?

In der Krise zeigt sich der wahre Kern.

Dass flexible Arbeitszeitmodelle den großen Vorteil haben, die Arbeit noch mehr nach individuellen persönlichen Bedürfnissen auszurichten, aber auch den Nachteil, den Überblick etwas zu verlieren.

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Weiterführende Links:

©

©“femail“

Homepage von „femail“, Vorarlbergs Informations- und Servicestelle für Frauen in Feldkirch

ifs-Gewaltschutzstelle Vorarlberg

ORF.at: „Neue Kampagne gegen häusliche Gewalt“

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