Stephanie Cram

Jiu Jitsu-Kämpferin und Volksschulpädagogin

Ein Porträt von Rainer „Schwarz auf Weiß“ in Kooperation mit dem Vorarlberger Fraueninformationszentrum „femail“

Die Leidenschaft für die Kampfkunst hat die Welt- und Europameisterin im „Brasilian Jiu Jitsu“ bereits im Alter von sieben Jahren gepackt. Seither ist die Feldkircherin mit schottischen Wurzeln eine „Kämpferin“. Im sportlichen wie im menschlichen Sinn. Sie hat gelernt, sich für ihre Träume und Ziele einzusetzen und sich selbstbewusst neuen Herausforderungen zu stellen. Damit ist die Anfang-40-Jährige heute ein Vorbild für all die Mädchen und jungen Frauen geworden, die sie unterrichtet, trainiert und (auch mental) stärkt.

„Meine persönliche Stärke ist meine Ehrlichkeit und Offenheit“, erklärt Stephanie Cram. „Mir selbst und auch Situationen und Menschen gegenüber. Manchmal wäre es bestimmt einfacher, Dinge nicht zu sehen oder sie anders zu deuten.“ Aber Integrität bedeutet der Sportlerin sehr viel. Und mit der nötigen Portion Humor und Leichtigkeit schafft sie es auch, sich dabei selbst treu zu bleiben. Denn Stephanie Cram möchte sich auf dem Weg zum Erfolg „selbst in den Spiegel schauen“ können, betont sie.

Titelbild: ©Nicky Ruddy
Verfasst im Februar 2020

Urvertrauen ins Leben

Stephanie Cram ist Wahlwienerin, in Schottland geboren und später im Feldkircher Stadtteil Tisis aufgewachsen: „Es war eine ländliche Gegend, in der ich meine Kindheit verbracht habe. Wir haben in einem Haus gewohnt, zu dem auch ein Garten und Ställe gehörten. Und es gab einen kleinen landwirtschaftlichen Gemüse -und Obstbetrieb. Viel Zeit habe ich mit meiner Zwillingsschwester und lieben Freunden im Freien verbracht. Es war immer jemand da: Mama, Oma, Opa, Onkel, Tante und Kusinen.“ Dass diese Familie sie sehr geprägt hat, davon ist sie im Rückblick überzeugt: „Sie war es nämlich, die mich dabei unterstützt hat, meine Träume anzugehen und an mich selbst zu glauben.“ Durch ihre Zwillingsschwester hatte sie zudem das Gefühl, niemals alleine zu sein und alles schaffen zu können. „Das hat mir eine gewisse Stärke im Leben gegeben, ein Urvertrauen!“

Liebe auf den ersten Blick

Als Siebenjährige hat Stephanie Cram mit Judo begonnen „und es von Anfang an geliebt!“. Danach hat sie diverse Kampfsportarten wie etwa Boxen, Karate Capoeira ausprobiert und auch mit Leidenschaft ausgeübt. „Aber nichts hat mich derart in den Bann gezogen wie das Brasiliansche Jiu Jitsu“, schwärmt sie. „Es war Liebe auf den ersten Blick, wie man so schön sagt. Es war ein Gefühl, als hätte es nur auf mich gewartet und umgekehrt. Es war in dem Moment einfach klar, dass das mein Leben bestimmen sollte.“

Übrigens sei die Sportart hierzulande gar nicht so außergewöhnlich wie es vielleicht scheint, erklärt Stephanie Cram: „Immerhin kommen einige WeltmeisterInnen in verschiedenen Disziplinen aus unserem Land.“

Für den Sport um die ganze Welt gereist

Stephanie Cram; Foto: ©Hildegard Cram

Stephanie Cram; Foto: ©Hildegard Cram

Stephanie Cram war bereits Mitte 30, als sie mit Brasilianschem Jiu Jitsu – kurz „BJJ“ genannt – begonnen hat. In dieser Kampfsportart darf man von Anfang an das Gelernte im Kampf erproben: „Durch gewisse Vereinbarungen – wie etwa dem Abklopfen – kann man dabei im Vollkontaktkampf immer noch sehr gut auf sich aufpassen“, erklärt die Sportlerin. Durch diese Regelung und ihre Jahrzehnte lange Kampfsporterfahrung ist Stephanie Cram sehr bald zu ihren erstem offiziellen Kampf angetreten. Sämtlichen Kampfsportarten, die ihr zuvor jeweils für sich genommen etwas Besonderes vermittelt haben, haben sie von Beginn an weit nach vorne gebracht.

„Das hört sich vielleicht einfach an“, fügt sie hinzu, „in der Realität stecken dahinter aber viele Jahre sehr harten Trainings. Oft zwei bis dreimal täglich, zu Wettkampfzeiten waren es zusätzlich ganze Wochenenden. Aber ich wollte das auch so“. Für Stephanie Cram war das Training immer ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens. Sie ist dafür um die ganze Welt gereist: „Ich habe sogar für einige Jahre meinen Wohn- und Lebensmittelpunkt nach England verlegt, um trainieren zu können!“

Menschliches Schach

Nach Ansicht von Stephanie Cram hat diese Art zu kämpfen im Idealfall nichts mit Aggression zu tun: „Im Gegenteil“, erklärt sie: „Die Athleten sind fokussiert, voll Leidenschaft, sanft aber auch wild. Niemals soll es aggressiv sein. Es passiert natürlich, wir sind alle Menschen. Aber jeder Kämpfer weiß, dass wir durch Aggression die Konzentration verlieren. Und die brauchen wir, um passend reagieren zu können und unsere Technik anzuwenden, um einen Kampf zu beenden.“
Und es gibt unendlich viel Techniken in der Kunst des BJJ: „ Es sind Hebel, die sich wie ein Puzzle ergänzen. Für jedes Schloss gibt es mehrere Schlüssel. Wir nennen unsere Kampfkunst deshalb auch Human Chess, also menschliches Schach. Es fördert unser Gedächtnis und unsere Präsenz auf das Äußerste. Und genau das macht es spannend, immer wieder aufs Neue!“

Ein Spiel mit Gleichgewicht und Kraft

Kämpfen war für Stephanie Cram schon immer etwas Natürliches. „Mit meiner Schwester habe ich als Kind fast täglich gerangelt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass unsere Mama uns aufgefordert hat, nicht zu streiten. Aber für uns war das ein Spiel. Ein Spiel mit dem Gleichgewicht und unserer Kraft.“
Heute beschreibt Stephanie Cram jenen Moment im Kampf, in dem wieder alle Karten neu gemischt werden, als immer wieder neue Möglichkeit, sich selbst zu testen, wo die eigene Stärke gerade liegt. „Das ist ein Moment des Friedens und der Ruhe. In dem Moment steht die Zeit still. Und egal, wie der Kampf endet, alles bleibt auf der Matte. Jeder Kampf bedeutet: wieder aufstehen und etwas lernen. Das Ergebnis ist dabei nicht so wichtig. Es ist der Lernprozess, der so faszinierend ist.“

Natürlich ist gerade im Profisport nicht alles Gold, was glänzt. Das hat auch Stephanie Cram am eigenen Leib erfahren: „Nach außen sieht das Leben eines Athleten wunderbar aus. Das ist es auch in gewisser Weise. Aber was man nicht sieht ist, wie hart wir arbeiten. Kaum einer sieht die vielen Tage, an denen einfach alles im Körper weh tut. Dazu kommen viele Niederlagen, das knappe Geld, der Neid und die harte Konkurrenz. Schwierig sind auch Abhängigkeiten im Team und zu Instruktoren, die vielen Umzüge und Reisen. Da muss man sich schon warm anziehen und sich selbst treu bleiben. BJJ ist im Zusammenspiel dieser Faktoren in all den Trainings- und Wettkampfjahren zu harter Arbeit geworden. Und das auf mehreren Ebenen.“

Politik im Profisport dringend überdenken

Es sei nie einfach gewesen, erklärt Stephanie Cram und verweist damit auch auf die Politik in den Verbänden und Organisationen: „Klar ist für mich nach all der Zeit, dass wir dringend so etwas wie Sicherheitsorganisationen für Athletinnen brauchen.“ Die Sportlerin plädiert dafür, unabhängige Organisationen außerhalb der Sportvereine zu installieren. Es brauche Organisationen, die beispielsweise Abhängigkeiten von AthletInnen zu ihren Teams überprüfen, die die Trainer sowie Organisationsstrukturen im kritischen Blick haben.

Ausschließlich männliche Trainer

„Egal ob Judo, Jiu Jitsu, BJJ, Ringen … alle diese Sportarten bedeuten auch Körper-Vollkontakt. Wie lässt es sich erklären, dass sämtliche Trainingspositionen im Profisport durch Männer besetzt sind? Das sind Fragen, die mich beschäftigen. Was ist denn schon männlich, was weiblich? Sollten wir nicht aufhören, uns diese Fragen stellen zu müssen? Für mich ist wichtig, wie ich mich als Mensch gut entwickeln kann und ob dafür die Strukturen für ALLE fair geboten werden. Man kann mich naiv nennen. Aber ich hoffe, dass sich im Profisport die Politik grundlegend ändert.“ Stephanie Cram wünscht sich, dass Frauen mehr Respekt und Anerkennung bekommen, „dass wir glänzen dürfen mit unseren Erfolgen und Anerkennung für unsere harte Arbeit erfahren dürfen. – Auch in Form von Leitungspositionen und dementsprechendem Gehalt“.

Bewegte Schule mit Mädchenteam

Und Stephanie Cram hofft und träumt nicht nur, sie handelt: Im Jahr 2017 hat sie ein eigenes Angebot für BJJ ins Leben gerufen. Ein Jahr später hat sie eine Non-Profit Organisation gestartet, in der sie neben der Kampfkunst auch Selbstverteidigungskurse speziell für Mädchen und junge Frauen anbietet: „Ich leite ein eigenes Team in BJJ für Mädchen, neben meinem Fulltimejob als Lehrerin. Das hat sich wirklich toll ergeben. Ich habe für das Projekt des Unterrichtsministeriums Bewegte Schule Ringen in Schulen Wiens angeboten. Als ich von meinem Training aus England zurück gekommen bin, habe ich an einer dieser Schulen eine Anstellung und die Möglichkeit bekommen, dort mein Team von 20 Mädchen (Hier gibt’s weitere Infos ) zu betreuen. Das ist großartig!“

Stephanie Cram; Foto: ©Nicky Ruddy

Stephanie Cram; Foto: ©Nicky Ruddy

Das Leben aktiv angehen

Stephanie Crams Privatleben orientiert sich rund um Training, Sport und Beruf: „Meine Familie hat mich immer unterstützt und war für mich da, dafür bin ich sehr dankbar. Beziehungen mussten sich durch meinen Sport immer hinten anstellen, das war neben dem Wettkampf nicht anders möglich. In meinem Umfeld habe ich dennoch ein ganz tolles Netz aus Menschen, die mir viel bedeuten, die mich und meine Ziele, meine Träume und auch meine Realität kennen. Sie wissen, dass ich mein Leben aktiv angehe. Schließlich ist unsere Zeit auch begrenzt. Und da sollten wir doch glücklich und verantwortlich mit dieser Zeit umgehen.“

verfasst im Februar 2020

von Schwarz auf Weiß in Kooperation mit femail:

Dieses Porträt ist in Kooperation mit dem Vorarlberger Fraueninformationszentrum „femail“ entstanden. „femail“ mit Sitz in Feldkirch ist eine Servicestelle von und für Frauen. Ausgebildete Spezialistinnen bieten Informationen in Einzelberatungen und Workshops zu den Themen Arbeit, Bildung, Familie, Gesundheit, Absicherung und Integration.

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